03.10.2008, 16:47
hallo,
da ich mich immer bemühe, wissenschaftlich korrekt an eine Frage heranzugehen, hat mich die Diskussion, wie lange eine Handaufzucht gefüttert werden soll, zu Überlegungen angeregt.
Züchter betonen ja meist, daß sie bestrebt sind, futterfeste und gut sozialisierte Jungtiere abzugeben. Sie können sicherlich Informationen beisteuern, die sie in ihr eigenes Zuchtmanagement einfließen lassen, um die Haltung ihrer Vögel zu optimieren.
Es gibt doch sicher Studien bzw. Freilandbeobachtungen, wie lange Kakadus in freier Wildbahn - wo sie ja nicht ohne Anstrengung an täglich gut gefüllte Futternäpfe gelangen, sondern auf das jahreszeitlich wechselnde Futterangebot in der Natur, begleitet von jahreszeitlich wechselnden klimatischen Verhältnissen, angewiesen sind, ihre Küken betreuen, führen, anleiten, füttern? Und wie oft im Jahr sie unter natürlichen Bedingungen eine Brut durchführen?
Ich kenne eine Freilandbeobachtung von Kongo-Graupapageien, daß sie ihre Küken ein volles Jahr führten und kenne einen Ara-Züchter, der grundsätzlich keine Handaufzuchten macht, dessen Elternvögel betreuen ihre Jungtiere über neun Monate, bevor das Paar wieder in Brutstimmung kommt und die Jungvögel aus der Nähe der Nisthöhle verjagt.
Erfolgreiche Papageienzucht in Menschenhand gibt es ja erst seit einigen Jahrzehnten (ich meine Großpapageien, nicht Wellensittiche u.ä.) - schon gar über mehrere Generationen hinweg - also im Vergleich mit der Zucht anderer Tierarten (oder auch der Erziehung menschlicher Kinder ) eine sehr kurze Zeit, um beurteilen zu können, ob das üblicherweise durchgeführte Zucht- und Haltungsmanagement tatsächlich optimal ist bzw 100%ig den Bedürfnissen der Tiere entspricht - körperlich wie psychisch gesehen.
Man kann sicherlich davon ausgehen, daß es auch in Zukunft immer wieder neue Erkenntnisse gibt, die Anpassungen erforderlich machen.
Da ja stets wiederholt wird, daß Papageien in Menschenhand keine domestizierten Tiere sind, muß doch ein guter Züchter versuchen, die Lebensbedingungen seiner Vögel so weit wie möglich den Verhältnissen in freier Natur anzupassen, oder?
Das oft vorgebrachte Argument "ich habe das immer schon so gemacht und habe damit Erfolg", alternativ dazu auch "man macht das schon immer so" ist nur geeignet, neue Denkansätze zu unterbinden, nicht aber, Fortschritte und Verbesserungen zu erzielen.
Beispiele:
1. seit Jahrhunderten (oder länger) und bis vor nicht allzu langer Zeit war allgemeine Lehrmeinung in der Kindererziehung, daß man Heranwachsende am besten durch körperliche Strafen (Prügel) dazu bringt, sich den jeweils gültigen Normen anzupassen. Funktionierte ja auch bei sehr vielen Individuen....
Und auch heute ist es noch lange nicht allgemein bekannt, daß es nicht die optimale, sondern die denkbar schlechteste Erziehungsmethode ist...
2. ebenfalls zu "artgerechte Aufzucht menschlichen Nachwuchses": Innerhalb weniger Jahrzehnte änderte sich mehrmals die Lehrmeinung, wie man mit heulenden Babies umgeht: einer Generation Mütter wurde beigebracht: Brüllen lassen, füttern nur zu festen Zeiten, Babies müssen lernen, eine frustrierende Situation durchzustehen - bei der nächsten Generation hieß es dann: ein Baby braucht Liebe, Zuneigung, Nestwärme viel mehr als exakte Zeiteinteilung und wenn es weint, hat es ein elementares Bedürfnis, das es nicht anders ausdrücken kann.
Und die nächste Generation? Wissen ist stets im Fluß...
3. "schon immer" wurden Hundewelpen nach dem Erwerb von ihren neuen Besitzern (nachts) allein eingesperrt und "mußten lernen, allein zu bleiben".
Inzwischen ist den Menschen, die sich mit Hundeverhalten befassen, bekannt, daß ein von seinem Rudel getrennter Welpe weiß, daß er ohne den Schutz und die Nähe seines Rudels nicht überleben kann und aus purer Todesangst heult - und nicht, um seine neuen Besitzer und die Nachbarn zu ärgern... Und wenn er irgendwann damit aufhört, dann nicht, weil er zur Vernunft gekommen ist, sondern weil er sich aufgegeben hat, hoffnungslos geworden ist - sicher kein erstrebenswertes Gefühl.
Es gibt tausende weitere Beispiele, wie Lehrmeinungen über lange Zeit transportiert und unreflektiert übernommen werden (auch die Wissenschaft ist davon nicht frei) - die auf diese Weise weitergetragenen Irrtümer werden durch die ständige Wiederholung aber nicht unbedingt "richtiger".
Mir liegt es fern, alle bisher zu irgendeinem Thema gesammelten Erkenntnisse komplett in Frage stellen - ich möchte einfach nur einen Denkanstoß geben, andere Sichtweisen als die eigene "altbewährte", nicht sofort als 100%ig falsch abzulehnen, sondern sich die kleine Mühe zu machen, sich unvoreingenommen damit auseinanderzusetzen. Vielleicht ist dann ab und zu doch etwas dabei, das es wert ist, übernommen zu werden.
LG Mechthild
da ich mich immer bemühe, wissenschaftlich korrekt an eine Frage heranzugehen, hat mich die Diskussion, wie lange eine Handaufzucht gefüttert werden soll, zu Überlegungen angeregt.
Züchter betonen ja meist, daß sie bestrebt sind, futterfeste und gut sozialisierte Jungtiere abzugeben. Sie können sicherlich Informationen beisteuern, die sie in ihr eigenes Zuchtmanagement einfließen lassen, um die Haltung ihrer Vögel zu optimieren.
Es gibt doch sicher Studien bzw. Freilandbeobachtungen, wie lange Kakadus in freier Wildbahn - wo sie ja nicht ohne Anstrengung an täglich gut gefüllte Futternäpfe gelangen, sondern auf das jahreszeitlich wechselnde Futterangebot in der Natur, begleitet von jahreszeitlich wechselnden klimatischen Verhältnissen, angewiesen sind, ihre Küken betreuen, führen, anleiten, füttern? Und wie oft im Jahr sie unter natürlichen Bedingungen eine Brut durchführen?
Ich kenne eine Freilandbeobachtung von Kongo-Graupapageien, daß sie ihre Küken ein volles Jahr führten und kenne einen Ara-Züchter, der grundsätzlich keine Handaufzuchten macht, dessen Elternvögel betreuen ihre Jungtiere über neun Monate, bevor das Paar wieder in Brutstimmung kommt und die Jungvögel aus der Nähe der Nisthöhle verjagt.
Erfolgreiche Papageienzucht in Menschenhand gibt es ja erst seit einigen Jahrzehnten (ich meine Großpapageien, nicht Wellensittiche u.ä.) - schon gar über mehrere Generationen hinweg - also im Vergleich mit der Zucht anderer Tierarten (oder auch der Erziehung menschlicher Kinder ) eine sehr kurze Zeit, um beurteilen zu können, ob das üblicherweise durchgeführte Zucht- und Haltungsmanagement tatsächlich optimal ist bzw 100%ig den Bedürfnissen der Tiere entspricht - körperlich wie psychisch gesehen.
Man kann sicherlich davon ausgehen, daß es auch in Zukunft immer wieder neue Erkenntnisse gibt, die Anpassungen erforderlich machen.
Da ja stets wiederholt wird, daß Papageien in Menschenhand keine domestizierten Tiere sind, muß doch ein guter Züchter versuchen, die Lebensbedingungen seiner Vögel so weit wie möglich den Verhältnissen in freier Natur anzupassen, oder?
Das oft vorgebrachte Argument "ich habe das immer schon so gemacht und habe damit Erfolg", alternativ dazu auch "man macht das schon immer so" ist nur geeignet, neue Denkansätze zu unterbinden, nicht aber, Fortschritte und Verbesserungen zu erzielen.
Beispiele:
1. seit Jahrhunderten (oder länger) und bis vor nicht allzu langer Zeit war allgemeine Lehrmeinung in der Kindererziehung, daß man Heranwachsende am besten durch körperliche Strafen (Prügel) dazu bringt, sich den jeweils gültigen Normen anzupassen. Funktionierte ja auch bei sehr vielen Individuen....
Und auch heute ist es noch lange nicht allgemein bekannt, daß es nicht die optimale, sondern die denkbar schlechteste Erziehungsmethode ist...
2. ebenfalls zu "artgerechte Aufzucht menschlichen Nachwuchses": Innerhalb weniger Jahrzehnte änderte sich mehrmals die Lehrmeinung, wie man mit heulenden Babies umgeht: einer Generation Mütter wurde beigebracht: Brüllen lassen, füttern nur zu festen Zeiten, Babies müssen lernen, eine frustrierende Situation durchzustehen - bei der nächsten Generation hieß es dann: ein Baby braucht Liebe, Zuneigung, Nestwärme viel mehr als exakte Zeiteinteilung und wenn es weint, hat es ein elementares Bedürfnis, das es nicht anders ausdrücken kann.
Und die nächste Generation? Wissen ist stets im Fluß...
3. "schon immer" wurden Hundewelpen nach dem Erwerb von ihren neuen Besitzern (nachts) allein eingesperrt und "mußten lernen, allein zu bleiben".
Inzwischen ist den Menschen, die sich mit Hundeverhalten befassen, bekannt, daß ein von seinem Rudel getrennter Welpe weiß, daß er ohne den Schutz und die Nähe seines Rudels nicht überleben kann und aus purer Todesangst heult - und nicht, um seine neuen Besitzer und die Nachbarn zu ärgern... Und wenn er irgendwann damit aufhört, dann nicht, weil er zur Vernunft gekommen ist, sondern weil er sich aufgegeben hat, hoffnungslos geworden ist - sicher kein erstrebenswertes Gefühl.
Es gibt tausende weitere Beispiele, wie Lehrmeinungen über lange Zeit transportiert und unreflektiert übernommen werden (auch die Wissenschaft ist davon nicht frei) - die auf diese Weise weitergetragenen Irrtümer werden durch die ständige Wiederholung aber nicht unbedingt "richtiger".
Mir liegt es fern, alle bisher zu irgendeinem Thema gesammelten Erkenntnisse komplett in Frage stellen - ich möchte einfach nur einen Denkanstoß geben, andere Sichtweisen als die eigene "altbewährte", nicht sofort als 100%ig falsch abzulehnen, sondern sich die kleine Mühe zu machen, sich unvoreingenommen damit auseinanderzusetzen. Vielleicht ist dann ab und zu doch etwas dabei, das es wert ist, übernommen zu werden.
LG Mechthild
"für das, was Du gehegt hast, bist Du Dein Leben lang verantwortlich..."
Antoine de Saint Exupèry
Antoine de Saint Exupèry